Aquarien & Sonderverglasung

Vom Guckloch zum Tiefseepanorama

7 min.

Der Blick in die tiefsten Tiefen des Meeres ist dem Menschen nur durch ein U-Boot-Fenster möglich – je größer es ist, desto mehr gibt es zu sehen. PLEXIGLAS® macht den Ozean zum Panorama mit Rundumblick.

© akg-images / US NAVY /SCIENCE PHOTO LIBRARY

Doch warum will der Mensch tiefer tauchen, als es sein Lungenvolumen zulässt? Was fasziniert ihn an einer für ihn lebensfeindlichen Umgebung? Die Antwort ist einfach: Neugier. Sie ist einer der stärksten Impulsgeber des Menschen, denn im Gehirn ist der Bereich, der durch neues Wissen stimuliert wird, eng mit der Freisetzung des Glückshormons Dopamin verbunden. Eine Verknüpfung, die eine der wesentlichen Triebfedern für die Evolution des Menschen ist – und für die Entwicklung des U-Boots.

Alexander der Große – der erste Meeresforscher

Schon Alexander der Große (356–323 v. Chr.) soll den Meeresboden mit einer Taucherglocke aus Glas erkundet haben. Leonardo da Vinci konstruierte – auf dem Papier – bereits 1515 ein U-Boot sowie einen Taucheranzug. Das erste fahrtüchtige Tauchboot wurde von David Bushnell im Jahre 1776 gebaut, erhielt den Namen „Turtle“ (Schildkröte) und wurde mit Muskelkraft betrieben. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trieben hauptsächlich militärische Zielsetzungen die U-Boot-Entwicklung voran. Zu Forschungszwecken tauchten die Menschen erst 1930 mit einem U-Boot – der Bathysphere, einer Stahlkugel mit Bullaugen – in die Tiefsee ab.

Drei Bullaugen für die Tiefsee

Eine Bathysphere – auch Tauchkugel genannt – ist eine runde Druckkammer aus Stahl, die von einem Mutterschiff aus an einem Kabel in die Tiefsee abgesenkt werden kann (siehe Bild oben). Die erste Bathysphere wurde 1930 von dem amerikanischen Professor William Beebe und dem Ingenieur Otis Barton gebaut. Die Fenster bestanden damals aus Quarzglas.

Mit PLEXIGLAS® auf Weltrekordjagd

Ein ganz ähnliches Modell war auch das erste U-Boot, das mit zwei kleinen Bullaugen aus PLEXIGLAS®, dem Markenacrylglas von POLYVANTIS (damals noch Röhm & Haas), auf Tauchfahrt ging. Die „Trieste“ startete 1960 mit dem wagemutigen Ziel, die tiefste Stelle der Weltmeere zu erforschen: den Grund des Marianengrabens.

Der Schweizer Wissenschaftler Jacques Piccard konstruierte das bis heute einzigartige U-Boot, mit dem er zusammen mit dem amerikanischen Marineoffizier Don Walsh auf fast 11.000 Meter tauchte. Eine Pionierleistung, die bisher nur von einem einzigen anderen Menschen wiederholt wurde – dem Filmregisseur James Cameron, der 2012 mit einem viel moderneren U-Boot zum tiefsten Punkt der Weltmeere tauchte.

Weltrekord im Tauchen

Die „Trieste“ ging im August 1953 in Italien vom Stapel und war mit ihrem Mutterschiff fest verbunden. Sie wurde zu mehreren Tiefseeforschungsfahrten und U-Boot-Suchaktionen eingesetzt. Heute befindet sie sich im United States Navy Museum in Washington, D. C.

© Evonik Industries AG, Konzernarchiv Hanau

Forschung unter Druck

In 11 Kilometer Wassertiefe herrscht ein Druck von über 1.000 bar. Er ist so stark, dass er die massive Stahlkugel der „Trieste“ um 3,7 mm im Durchmesser zusammendrücken konnte.

© Evonik Industries AG, Konzernarchiv Hanau

Die Fenster der ‚Trieste‘ wurden aus PLEXIGLAS® hergestellt, weil die Plastizität dieses Werkstoffes … sich schon immer als völlig zuverlässig erwiesen hat.

Jacques Piccard, Konstrukteur des Tauchschiffs „Trieste“

Die Forschung im Blick

Mit der „Trieste“ konnte man einen ersten Blick in die Tiefen des Meeres werfen – quasi wie durch ein Schlüsselloch, denn die damalige Technik erlaubte noch keine großen Fenster. Da jedoch der Sinn des Tauchens die Sichtung des Meeres ist, setzten die Entwickler alles daran, U-Boote mit immer größeren Fenstern bauen zu können.

So konzipierte eine private Initiative aus österreichischen Konstrukteuren 1986/87 die „Austria 1“. Diese verfügte über eine Sichtkuppel und ein deutlich größeres Bugfenster – beide ebenfalls aus dem Markenacrylglas. „PLEXIGLAS® war für U-Boote schon damals ein ideales Material, weil es dem Fahrgast eine Sicht auf die Tiefsee ohne jede optische Verzerrung ermöglicht und – trotz des Temperaturunterschieds zwischen innen und außen – nicht beschlägt. Gleichzeitig ist ein Fenster aus PLEXIGLAS® extrem sicher, denn es hält dem tonnenschweren Druck unter Wasser stand und verfügt darüber hinaus über weitere Sicherheitsreserven für die Drucklast“, erklärt Marc von Locquenghien, Spezialist für Sonderverglasung bei der Marke PLEXIGLAS®.

Österreich taucht ab

Die „Austria 1“ war ein privates Gemeinschaftsprojekt von Schiffskonstrukteuren aus Österreich und wurde 1986/87 gebaut.

© Evonik Industries AG, Konzernarchiv Hanau

Neutraler Durchblick

Die „Austria 1“ war am Bug mit einer Scheibe aus farblosem gegossenem PLEXIGLAS® ausgestattet, die 125 mm dick war.

© Evonik Industries AG, Konzernarchiv Hanau

U-Boot Marke Eigenbau

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – die beiden Taucher Breinig und Herrmann bauten ihre zwei Sichtkuppeln aus PLEXIGLAS® und ihr ganzes U-Boot „Nemo 100“ einfach selbst.

© Evonik Industries AG, Konzernarchiv Hanau

Auf der Jagd nach dem Urzeitfisch

Das Tauchboot „JAGO“ wurde 1989 für das Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie gebaut, um in 400 Meter Tiefe nach Quastenflossern zu suchen, die als lebende Fossilien gelten. Dieses Tauchboot gewährte zum ersten Mal in größerer Tiefe einen weiten Ausblick in die Unterwasserwelt – durch eine Sichtkuppel aus PLEXIGLAS® GS 222. Das spezielle Markenacrylglas wurde extra für die Anforderungen und besonders für den hohen Druck unter Wasser angefertigt, der schon in 400 Meter Tiefe für dieses U-Boot bis zu 3.600 Tonnen betragen kann. PLEXIGLAS® GS 222 wurde vom Germanischen Lloyd – so etwas wie der TÜV für die Schifffahrt – geprüft und für die hohe Qualität zertifiziert. Mit Hilfe der „JAGO“ konnten übrigens die seltenen Fische wirklich gefunden werden.

Die „JAGO“ wurde auch eingesetzt, um das einzigartige Ökosystem vor der Küste Norwegens zu untersuchen | Quelle: YouTube/The Future Ocean

Tiefsee in HD – dank PLEXIGLAS®

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Tauchboote war die „LULA 1000“. Sie wurde von der Stiftung Rebikoff-Niggeler 2011 in Auftrag gegeben, um mit ihr auf die Suche nach Tiefsee-Kalmaren zu gehen. Die „LULA 1000“ bietet Platz für drei Besatzungsmitglieder und verfügt über eine Sichtkuppel aus PLEXIGLAS® mit einem Durchmesser von 1,40 Metern. „Für ein gebogenes Fenster dieser Größe mussten wir zuerst einen Block aus PLEXIGLAS® entwickeln, der dick genug war, um dem Meeresdruck standzuhalten – 17 Zentimeter waren hierfür nötig“, sagt von Locquenghien. „Nachdem so ein Block gegossen ist, wird er dann bei über 150 Grad Celsius und mit hohem Druck zu einer Halbkugel umgeformt.“

Das Ergebnis ist ein fast halbrundes Fenster, das einen 150-Grad-Blickwinkel ins Meer erlaubt und unter Wasser beinahe unsichtbar ist. Dank PLEXIGLAS® waren so zum ersten Mal hochauflösende Filmaufnahmen in der Tiefsee möglich, die die Unterwasserwelt frei von jeder Verzerrung durch die Bullaugen der U-Boote wiedergeben.

Wir wollten unbedingt ein U-Boot made in Germany – und POLYVANTIS ist bei der Entwicklung der Kuppel bis ins Detail auf unsere Wünsche eingegangen.

Joachim Jakobsen, Stiftung Rebikoff-Niggeler

Abtauchen in die Welt der Riesenkalmare

Die „LULA 1000“ ist 7,50 Meter lang und 2,65 Meter hoch. Sie verfügt über zwei Sichtkuppeln – die große befindet sich unterhalb des Bugs und eine kleinere (61 cm Durchmesser) dient als Einstiegsluke. Mit diesem U-Boot können die Forschenden fünf Stunden auf die Suche nach den sagenhaften Tintenfischen gehen, bevor die Elektromotoren wieder aufgeladen werden müssen.

© Dave Mothershaw / Röhm GmbH

Rundum glücklich

Von einer halben Kugel ist der Schritt zu einer ganzen nicht mehr weit – vorausgesetzt, man hat den richtigen Klebstoff, um die Hälften zusammenzufügen. Um die verzerrfreie Sicht nicht zu gefährden, muss der Klebstoff allerdings eine genauso hohe Lichttransmission wie das PLEXIGLAS® selbst besitzen und zugleich auch dem großen Wasserdruck standhalten können. „Ein Klebstoff, der einfach nur sehr fest auf den zu verbindenden Oberflächen haftet, ist für diese Anforderungen bei weitem nicht ausreichend“, erklärt von Locquenghien. „Deshalb mussten wir etwas erfinden, was die beiden Halbkugeln unsichtbar und untrennbar miteinander verbindet – fast so wie beim Kaltschweißen.“

Meilenstein in der Entwicklung

Dank dieses speziellen Klebstoffs konnte POLYVANTIS zusammen mit der amerikanischen Firma Triton Submarines LLC und dem Verarbeitungspartner Heinz Fritz Kunststoffverarbeitung GmbH einen neuen Meilenstein in der Geschichte der U-Boot-Fenster entwickeln: einen Fahrgastraum, der aus einer kompletten – aus zwei Hälften zusammengeklebten – Kugel aus PLEXIGLAS® besteht.

Die Kugel ist bei dem Tauchboot „Triton 3300/3“ so groß, dass drei Personen bequem darin Platz finden. Durch den kristallklaren Rundumblick konnte beispielsweise der preisgekrönte britische Tierfilmer und Naturforscher Sir David Attenborough den besorgniserregenden Zustand des Great Barrier Reefs eindrucksvoll dokumentieren. Zudem ist ein Tauchboot mit dem Panoramablick nicht nur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessant – es wird auch von den Superreichen zunehmend als Statussymbol entdeckt.

Quelle: YouTube/Triton Submarines

Die Kugel, die eine neue Welt bedeutet

Mit der „Triton 3300/3“ sind der Entwicklung der Verglasungen für U-Boote jedoch noch lange keine Grenzen gesetzt. „Momentan arbeiten Hersteller an Tauchbooten für Kreuzfahrtschiffe, in denen maximal sieben Personen bequem Platz finden können“, führt von Locquenghien die zukünftigen Projekte aus. Denn nachdem die Herausforderungen des Formens und des Zusammenfügens gemeistert sind, geht es nun darum, die Fahrgasträume aus PLEXIGLAS® immer weiter zu vergrößern.

Triton 3300/3

Der Außendurchmesser der Passagierkugel beträgt 2,10 Meter. Die Wand der Kugel ist 17 Zentimeter dick. Die „Triton 3300/3“ kann bis zu einen Kilometer tief tauchen.

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