Wenn Architektur lebendig wird
Wo bin ich hier? Dieser Ort wirkt wie eine helle Lichtung im dunklen Wald, mit flirrenden Lichtreflexen und einem Teich in der Mitte, in dem Besucherinnen und Besucher ein außergewöhnliches Spiel von Licht und Schatten bestaunen können. Wer sich nähert, verspürt den Drang, in diese zauberhafte Atmosphäre einzutauchen.
Philip Beesley
Der Architekt Philip Beesley, Jahrgang 1956, ist ein Visionär, der die Grenzen zwischen Architektur, audiovisueller Kunst und Digitaltechnologie aufhebt. Beesley betreibt ein Studio in Toronto und leitet die Living Architecture Systems Group. Außerdem ist er Professor für Architektur an der University of Waterloo (Kanada) und für Digitales Design und Architektur & Urbanismus an der European Graduate School (Schweiz/Malta).
GROVE – auf Deutsch „Wäldchen“ – heißt diese Installation von Philip Beesley und der Living Architecture Systems Group auf der Biennale Architettura 2021 in Venedig. Eine Einladung zu dieser internationalen Ausstellung ist wie die Aufnahme in den Olymp der Architektur. Diese Ehre wird dem Kanadier und seinem Team nun schon zum zweiten Mal zuteil. Und es ist auch ein großer Auftritt für PLEXIGLAS®, das hier atemberaubend schöne, organische Formen annimmt.
Im Interview beschreibt Beesley seine Vision einer zukunftsweisenden, lebendigen Architektur. Und er erklärt, wie die Verwandlung von PLEXIGLAS® Plattenmaterial zu hauchzarten Gebilden gelingt, die an Eiskristalle und Wolken, Federn und Gespinste erinnern. In Kombination mit Licht, Klang und digitaler Technik entwickeln sie eine Eigendynamik, die die Betrachtenden vollkommen in den Bann zieht.
Diese Formensprache und die Verwendung von Acrylglas der Marke PLEXIGLAS® – in Kanada und den USA unter dem Markennamen ACRYLITE® vertrieben – sind charakteristisch für die Projekte der interdisziplinären Design-Agentur Philip Beesley Studio Inc. Die beeindruckenden Raumskulpturen finden bei Ausstellungen rund um die Welt große Beachtung. Bereits auf der Architekturbiennale 2010 repräsentierte Beesley sein Heimatland Kanada, damals mit der Installation „Hylozoic Ground“.
Herr Beesley, Ihre Installation auf der Architekturbiennale 2021 in Venedig trägt den Namen GROVE. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?
Die Besucherinnen und Besucher betreten die riesige, dunkle Halle des Arsenale, des Veranstaltungsorts der Ausstellung. Im Hintergrund sehen sie eine schwebende Wolke, die von einzelnen Lichtquellen erleuchtet wird. Wenn sie sich der GROVE-Installation nähern, kommen totemartige Säulen zum Vorschein, die um eine Projektion auf dem Boden angeordnet sind, die an einen funkelnden Teich erinnert. Man vernimmt ein leises Flüstern und fremdartige Klänge, die langsam lauter werden. Nach und nach erkennt man die Säulen als fein gearbeitete, korbähnliche Gebilde, in denen sich tropfenförmige Lautsprecher befinden. Die Wolke selbst setzt sich aus tausenden von miteinander verbundenen Elementen zusammen, die an fein gewirkte Spitze erinnern. Daran hängen glitzernde, mit Flüssigkeit gefüllte Glasphiolen. Im Teich ist eine Welt zu sehen, die sich stets im Wandel befindet. Hierbei handelt es sich um CGI-Animationen, die sowohl die Formensprache meines Werks als auch die hier installierten Wolkengebilde und Säulen aufgreifen.
Inwieweit fügt sich die Installation in das Motto der Biennale „How will we live together?“ ein?
Die Besucherinnen und Besucher können eine neue, immersive Art der Architektur erleben, in die sie sozusagen eintauchen können. GROVE bietet einen völlig neuartigen und offenen Begegnungsort. Anstelle von festen, trennenden Mauern sind die Besucherinnen und Besucher von filigran verwobenen Gebilden umgeben, die ein außergewöhnliches Gefühl von Stabilität und Schutz vermitteln. GROVE eröffnet einen Raum, der als eine Art öffentliches Forum oder Theater genutzt werden kann. Im Mittelpunkt steht das kollektive Erlebnis, im Schutz der über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher schwebenden, schimmernden Wolke die Projektion zu betrachten und die dicht verwobenen Klangkompositionen auf sich wirken zu lassen.
Welche Philosophie verfolgen Sie mit der Living Architecture Systems Group?
Die Living Architecture Systems Group erkundet die künftigen Möglichkeiten der Architektur. Es handelt sich um eine internationale Gruppe, die sich der Entwicklung lebendiger Architektur widmet. Diese basiert auf dem Konzept, dass die Substanz moderner Gebäude und deren Umgebung immer komplexere Systeme enthalten. Die physischen Komponenten können als flexible, responsive Gerüste agieren. Die „Intelligenz“ und die Interaktivität smarter Infrastrukturen können ein greifbares „Bewusstsein“ erschaffen. Die intelligenten Systeme und die responsiven Gerüste werden miteinander vernetzt, um Materialien und deren Umgebung in ein neues Licht zu rücken.
Diese drei Arten von Systemen lassen sich in die Kategorien Gerüst, Information und Stoffwechsel einordnen. Zeitgenössische Denkerinnen und Denker, die sich mit neuen Technologien befassen, sehen in diesen drei Kategorien die Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben. Durch die Verknüpfung von responsiven Strukturen, Informationsaustausch und einer Art von Stoffwechsel wird Architektur quasi lebendig.
Vorschau auf die Installation GROVE von Philip Beesley und der Living Architecture Systems Group auf der Biennale Architettura 2021:
Was gefällt Ihnen an PLEXIGLAS® und welche Produkteigenschaft hilft Ihnen bei der Arbeit mit dem Material am meisten?
„PLEXIGLAS® eignet sich besonders gut für filigrane Laserschneidarbeiten.“
Philip Beesley, Leiter Living Architecture Systems Group und Philip Beesley Studio Inc.
Für unsere Prototypen brauchen wir häufig flexibles, transparentes Plattenmaterial. Extrudiertes Material der Marke PLEXIGLAS® eignet sich besonders gut für komplizierte Laserschneidarbeiten – vor allem für die Fertigung von dünnen Fasern und transparenten, zarten Details. Es gibt kaum ein anderes Material, das per Laserschneiden verarbeitet werden kann, dabei elastisch und beständig bleibt und gleichzeitig eine exzellente Lichtdurchlässigkeit aufweist.
Bei unserer neuesten Arbeit verwenden wir biobasierte und nachhaltige Materialien. PLEXIGLAS® spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle, da es extrem leicht ist und wenig Material benötigt wird. PLEXIGLAS® ist das wichtigste Element, das uns die Modellierung dieser Systeme im Wandel ermöglicht.
Es ist eine atemberaubende Metamorphose. Wie verarbeiten Sie PLEXIGLAS® Platten zu diesen extrem filigranen Strukturen?
Sobald der Entwurf für eine Komponente steht, gestalten meine Teammitglieder und ich digitale Schnittvorlagen. Die einzelnen Komponenten werden sorgfältig mosaikförmig geplottet, um Schnittabfälle weitestgehend zu vermeiden. Mithilfe dieser Vorlagen schneiden wir PLEXIGLAS® Platten in unserem großen Laserschneider zu. Wenn dieser Schritt abgeschlossen ist, lösen wir die Einzelteile manuell heraus. Die flachen Komponenten werden dann erhitzt und mithilfe spezieller Vorrichtungen in unterschiedliche Formen gebracht. Durch Erhitzen werden die Komponenten aus PLEXIGLAS® elastisch und verformbar.
PLEXIGLAS® und Licht
Dank seiner außerordentlichen Lichtdurchlässigkeit inspiriert das Markenacrylglas von POLYVANTIS Designer und Künstler, Architekten und Ingenieure zu vielfältigen Leuchtenanwendungen. PLEXIGLAS® ist in lichtstreuenden, lichtleitenden und hochtransparenten Varianten erhältlich.
Welche Rolle spielt Licht in Ihren Installationen?
In diesen immersiven Umgebungen spielt Licht eine sehr wichtige Rolle. Unsere interaktiven Installationen sind mit hunderten oder gar tausenden von LEDs bestückt, die mithilfe von Sensoren auf die Anwesenheit von Besucherinnen und Besuchern reagieren. Die Software ist so programmiert, dass miteinander verbundene Gruppen Cluster bilden, die untereinander kommunizieren. Daraus ergeben sich verhaltensbezogene Verbindungen im gesamten System. Diese wiederum erzeugen Lichteffekte in der Installation, die den Gesprächen der Besucherinnen und Besucher nachempfunden sind.
Wir setzen auch gern herkömmliche Ausstellungsbeleuchtung ein und betonen so die Atmosphäre und das Spiel von Licht und Schatten. Das kristallklare PLEXIGLAS® und speziell gefertigte Glasphiolen, die das Licht filtern, erweitern die physische Präsenz der Installation und erschaffen schwebende Gebilde, die Licht und Schatten auf den umgebenden Oberflächen tanzen lassen.
Kurzer Auszug aus „Grove Cradle“, Regie: Warren Du Preez & Nick Thornton Jones in Zusammenarbeit mit Philip Beesley, Musik: Salvador Breed, 2021 © Video von PBSI
Wie lange haben Sie und Ihr Team an GROVE gearbeitet?
Architekturbiennale 2021
Die internationale Ausstellung wird alle zwei Jahre in Venedig ausgerichtet, üblicherweise in den geraden Jahren. Wegen COVID-19 musste die 17. Biennale Architettura ins Jahr 2021 verschoben werden. Die diesjährige Ausgabe steht unter dem Motto „How will we live together?“. Teilnehmende aus 46 Ländern setzen architektonische Impulse für eine Welt im Wandel.
Der erste Entwurf der Installation stand nach etwa vier Monaten. Die Komponenten für die finale Version hat mein Studio innerhalb von drei Monaten digital angefertigt. Der Aufbau erfolgte in den drei Wochen vor Eröffnung der Biennale. Die zugehörigen Animationen und das Sound-Design wurden parallel in enger Zusammenarbeit mit den Filmemachern Warren Du Preez und Nick Thornton Jones, dem Komponisten Salvador Breed und der Modedesignerin Iris van Herpen sowie dem Tonstudio 4DSOUND entwickelt.